Verwertung und Zubereitung von Lebendigem in Videospielen

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Chromanoid
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Verwertung und Zubereitung von Lebendigem in Videospielen

Beitrag von Chromanoid »

Hallo ihr,
schon länger beschäftige ich mich mit der Umsetzung von Schlachtung, Verwertung und Zubereitung von Lebendigem in Videospielen. Besonders interessiert mich welche ethischen und kulinarischen Grenzen dabei eingehalten werden und wie weit man eigentlich gehen kann ohne erhebliche Proteste seitens der Gesellschaft hervorzurufen.

Das zuletzt erschienene mir bekannte Spiel, das diese Thematik sehr umfassend behandelt, ist "Monster Hunter Tri" (eine Wii Fassung der mehrteiligen vor allem in Japan beliebten Monster Hunter Reihe). Eigentlich das ganze Spiel dreht sich um die Jagd und Verwertung von dinosaurierähnlichen Monstern. Das Schlachten der Monster wird durch das kurze Bearbeiten der Beute mit einem Dolch präsentiert. Zu hören ist dabei das umherfahren einer Metallklinge. Das so gewonnene Fleisch kann dann an einem Grillspieß gebraten werden. Grillen: http://www.youtube.com/watch?v=5ciobmhjRCQ Schlachten (in diesem Fall unter Wasser): http://www.youtube.com/watch?v=kKMIh8JKQww#t=05m10s

Ein populäres Videospiel, das die Zubereitung von realen Gerichten besonders detailliert behandelt, ist Cooking Mama (mehrteilig, auf Wii, NDS und iPhone erschienen). Cooking Mama ist ein Fun-Kochsimulator, welcher den Spieler alle möglichen Gerichte dieser Welt nachkochen lässt. Die Verarbeitung von Fleisch beginnt dabei mit dem rohen Fleischstück oder beim ganzen Fisch.

Zubereitung von Hamburgern in Cooking Mama: http://www.youtube.com/watch?v=zUQAIl-H1uo
Zubereitung von Scholle: http://www.youtube.com/watch?v=OmgWhfRubw4
und Thunfisch: http://www.youtube.com/watch?v=XhmowkbM5mM

Gerade in MMORPGs ist Beuteverarbeitung ein wichtiger Spielbestandteil. Dabei muss man im typischen MMORPG in der Regel einfach über einen Dialog das gewünschte Gericht auswählen. Die einzelnen Zutaten sind eigentlich immer entweder als Text oder als Symbol sichtbar. Leichtgewichtigere MMORPGs wie Free Realms oder Pixie Hollow erweitern diese in MMORPGs übliche Methode um Minispiele, die ähnlich wie in Cooking Mama vor allem die Reaktion der Spieler fordern.

Neben Kochen sind natürlich auch andere Fähigkeiten dazu geeignet organische Beute weiter zu verarbeiten. Das ist in der Regel vor allem Kürschnerei, Schneiderei, Alchemie und Lederverarbeitung (Ich bitte um Ergänzung).

Kochen in Aion:
http://www.youtube.com/watch?v=H0Z8XE0tC8s
Kochen in WoW:
http://www.youtube.com/watch?v=COCuvsReGsQ#t=1m21s
Kochen in Free Realms:
http://www.youtube.com/watch?v=JAy754W9bOA

Hier mal beispielhaft ein paar "Gegenstände" aus WoW. Die "Gegenstände" existieren im Spiel eigentlich nur als Symbol im Inventar.

Kochzutaten:
BildBildBild (Spinnenbein)BildBildBildBild (Därme für Wurst)Bild (Geiferzahnleber)

Gerichte gibt es von Aas Surprise über Bärenburger und Grubenratteneintopf bis hin zu Klebrigen Spinnenkuchen eigentlich so alles was man schon immer mal essen wollte...
BildBildBildBild

Alchemistische Zutaten:
Bild (Kleiner Flammenbeutel)Bild (Großer Giftbeutel)Bild

Lederverarbeitung/Kürschnerei:
Bild (Unverwüstliches Leder)Bild (Murlocschuppen)Bild Bild

Schneiderei:
Bild (Spinnenseide)Bild (Schafswolle)

Neben verwertbaren Gegenständen gibt es in WoW natürlich auch noch nicht verwertbare organische Gegenstände, die entweder für Quests oder einfach als Müll bei Gegnern gefunden werden können:
BildBildBildBildBildBildBildBildBildBildBild (Trollschweiß)

In World of Warcraft werden die Grenzen der Verwertbarkeit von gegnerischen Körpern eigentlich bei intelligenten Humanoiden gezogen. Es gibt wenige Ausnahmen deren Körper man dann eigentlich auch nur für Leder, Pelz, Schuppen und Federn verwerten kann:
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Kritik an dieser Grenze ist mir bis jetzt nicht aufgefallen. Jeder scheint damit zufrieden zu sein ab und zu ein Fläschchen Trollschweiß zu finden, die Schuppen süßer Murlocs für Armschienen zu verarbeiten und Yeti-Fell für kleine mechanische Yeti-Attrappen zu verwenden.

Menschenfressen ist in wirklich wenig Videospielen eine Möglichkeit. In Black & White kann man aktiv Menschen als Nahrung für seine Kreatur benutzen. In Warcraft 3 können Guhle gefallene Soldaten fressen. Kennt ihr noch mehr Beispiele?

Der einzige moralische Zeigefinger, den ich je in den Medien wahrgenommen habe, ist Peta's Parodie auf Cooking Mama:
http://www.peta.org/cooking-mama/index.asp?c=pmkaperb08
(Man bereitet in dem Spiel auf recht blutige Weise einen Weihnachts-Truthahn zu)

Videospiele, die das Gefressenwerden kritisch thematisieren (mehr als nur die Möglichkeit von einem bösen Monster gefressen zu werden), kenne ich eigentlich nur Oddworld und Orion Burger als kommerzielle Titel.
Oddworld

Orion Burger


Kennt ihr interessante nicht genannte Spiele, die sich mit dem "Verwerten" von Lebendigem beschäftigen? Wo liegen bei euch die Grenzen des Spaßes, des guten Geschmacks und wo das Tabu? Würdet ihr ohne negative Gefühle gepökelte Trollfüße oder kandierte Räuberohren in eine Pastete für euer virtuelles Haustier verarbeiten können? Fändet ihr im Sinne von Cooking Mama ein Schlachtspiel geschmacklos? Oder würdet ihr darin eher die moralisch korrekte Folgerung aus der Möglichkeit "etwas kochen zu können" sehen?

Wo seht ihr die Grenzen im realen Leben (Kannibalismus mal ausgeschlossen)? Übrigens wurde wahrscheinlich noch bis ins 18. Jahrhundert in Europa medizinischer Kannibalismus praktiziert. Und in Asien wird so gut wie alles außer dem Menschen zu Nahrung, Medizin oder Talismanen verwertet...

Bon Appétit
Chromanoid
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Despotist
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Re: Verwertung und Zubereitung von Lebendigem in Videospiele

Beitrag von Despotist »

In der Gothic-Reihe findet man bei Wölfen usw Fleischstücke die man dann über dem Feuer oder in einer Pfanne braten kann. Der Verzehr von gebratenem Fleisch gibt mehr HP zurück als das Rohe. Es ist nur langweilig und Zeitraubend für 50+ Stücke Fleisch im Inventar die selbe Bratanimation immer wieder auslösen und beenden zu müssen. Moralische Bedenken habe ich keine dabei ;). Man kann auch jede Menge anderer pflanzlicher und sonstiger (Knochenmehl) Bestandteile verzehren oder alchemisch weiterverarbeiten.
Chromanoid hat geschrieben: Wo liegen bei euch die Grenzen des Spaßes, des guten Geschmacks und wo das Tabu?
Ich kann relativ sauber zwischen Spiel und Realität trennen ;). Daher ist mir in noch keinem Spiel etwas begegnet das meinen "Geschmack" verletzt (auch außerhalb des Essen-Themas). Da solche Aktionen meist Gimmicks sind und nicht zum Gewinnen nötig sind (außer bei Coocking Mama oder wie das heißt vielleicht) kann man es auch einfach sein lassen.
Chromanoid hat geschrieben: Würdet ihr ohne negative Gefühle gepökelte Trollfüße oder kandierte Räuberohren in eine Pastete für euer virtuelles Haustier verarbeiten können?
Auch für meinen Avatar. Solange ich es nicht in RL essen muss ;).
Chromanoid hat geschrieben: Fändet ihr im Sinne von Cooking Mama ein Schlachtspiel geschmacklos? Oder würdet ihr darin eher die moralisch korrekte Folgerung aus der Möglichkeit "etwas kochen zu können" sehen?
Nein. Nur sehe ich den Markt nicht. Ich bin kein Vegetarier finde aber das ein schneller und schmerzfreier Tod für alles was ich esse nötig ist. Daher finde ich solche Methoden wie Haien die Flossen abschneiden und sie dann verenden lassen und Elefanten zu Verstümmeln barbarisch. Wer so was macht oder unterstützt (durch Kauf) ist für mich weniger wert als das Tier.
Chromanoid hat geschrieben: Wo seht ihr die Grenzen im realen Leben (Kannibalismus mal ausgeschlossen)?
Warum? Nur weil sich viele Menschen für was besseres als Tiere halten sind sie das nicht. Ich sehe es sogar so dass Menschen Aas und Kadaver fressen (denn der Verwesungsprozess setzt mit dem Tod des Tieres ein). Ich selbst esse nur Muskelfleisch. Innereien, Gehirn, Augen, Hoden, Ohren usw. möchte ich nicht essen. Daher halte ich mich auch bei der Wurst zurück ;).
Chromanoid hat geschrieben: Und in Asien wird so gut wie alles außer dem Menschen zu Nahrung, Medizin oder Talismanen verwertet.
Eine Chinesin hat mir mal gesagt: Chinesen essen alles was schwimmt, fliegt und Beine hat, außer U-Boot, Flugzeug und Tisch.

Ich finde es "interessant" mit was du dich so beschäftigst ;).
Paul McCartney hat geschrieben: Wenn die Schlachthäuser Glaswände hätten, wären alle Menschen Vegetarier.
Bis auf die Chinesen vielleicht ;).

Ein Mann schaut seinem Freund, der Fleischer ist, beim Wurst machen zu und sagt: "Wenn raus kommt, was da rein kommt, dann kommst du irgendwo rein, wo du nie wieder rauskommst."

In diesem Sinne: Esst keinen gelben Schnee, aber die Jahreszeit ist eh vorbei.
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Re: Verwertung und Zubereitung von Lebendigem in Videospiele

Beitrag von Seraph »

Ich soll meine Messenger-Antwort mal hier rein schreiben, aber ich hab doch keine Zeit! *jammer* ;)

Okay, nur mal kurz. In WoW, auf welches Du ja hier recht ausfuehrlich eingegangen bist, gibt es sowohl Trolle als auch Untote, die haeufig auch Kannibalen sind. Untote (Verlassene) haben sogar eine Faehigkeit 'Kannibalismus', mit welchem sie Kadaver von anderen Humanoiden (auch gerade besiegte Spieler) oder Untoten verzehren koennen, um die eigene Lebensenergie wieder aufzufuellen. Insbesondere auf RP-Servern wird das haeufiger auch zum Vorschein gebracht/ausgelebt und auch wenn das Spiel ab 12 Jahren freigegeben ist, mir ist noch niemand begegnet, welcher sich darueber beschwert hat. Was allerdings auch nichts heissen muss. :D

Ich denke es kommt auf die Praesentation und Einbindung in das Spiel als auch den Spieler selbst an, inwiefern der Umgang mit solchen Dingen akzeptabel ist.
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Re: Verwertung und Zubereitung von Lebendigem in Videospiele

Beitrag von kimmi »

Wenn die Schlachthäuser Glaswände hätten, wären alle Menschen Vegetarier.
Man könnte auch einfach nicht hineinschauen. Mein Schwager hat lange als Schlachter gearbeitet und isst immer noch gerne Steak. Auch im Tierreich werden Beutetiere auf eine sehr qualvolle Art und Weise gerissen. Allerdings habe ich noch keinen Löwen gesehen, der deswegen Gewissensprobleme hat und zum Vegetarier geworden ist ;).

Aber ich schweife ab:
Ich denke nicht, daß das Verzehren von Lebendigen ein großes Problem in Spielen darstellt. Schließlich wird ähnliches auch in Filmen und Büchern vorgeführt. Und Spiele stellen meiner Meinung nach ein weiterführendes Medium für geschichten dar. Die Altersfreigabe sollte allerdings je nach Detail-Grad angepasst werden. Nicht jeder 6-Jähriger / Jährige kann das schon so abstrahieren wie ein 18-Jähriger / Jährige. Im schlimmsten Fall läßt man halt die FInger ovn dem jeweiligen Spiel. Und schließlich haben Computer noch einen Aus-Knopf. Ich halte das zuvorige Abknallen da eher für diskussionswürdig.

Gruß Kimmi
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