Arbeiten als Freelancer

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Dennis
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Arbeiten als Freelancer

Beitrag von Dennis »

Hallo,

im Thread http://zfx.info/viewtopic.php?f=9&t=3062 ist eine mini Diskussion aufgekommen über Selbstständigkeit. Mich würde hier die konkreten Erfahrungen interessieren. Wer hat sich selbstständig gemacht am besten mit Gewerbe angefangen und kann was dazu sagen was der Steuerberater in etwa kostet, was für zusätzliche Kosten auf einen zu kommen. Wie viel Zeit für das drumherum draufgeht, von Projektaquise über Abschluss und Kundenkontakt.
Dann was für Vorerfahrungen waren vorher vorhanden ist man mit schon vorhanden Aufträgen gestartet etc. Ich kenne das Thema nur aus Sicht einer GmbH die selber sehr teure Hardware produziert und interessiere mich wie es als Entwickler abläuft.

Vielen Dank für jedwigen Kommentar.
antisteo
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Re: Arbeiten als Freelancer

Beitrag von antisteo »

Der Steuerberater muss nach gesetzlich vorgegebenen Gebühren bezahlt werden. Rechne mal 40 Euro im Monat. Ich konnte meinen dazu bewegen, in feineren Zeiteinheiten abzurechnen.
Neukunden zu gewinnen ist eine schwere Sache. Suche am besten ein Netzwerk, die dich weiterempfehlen. Pass aber auf, dass du dich nicht zu sehr von deinem Netzwerk beraten lässt, denn die haben natürlich auch ihre Eigeninteressen. Wenn du denen alles glaubst, nehmen die dich aus.
Hast du einmal einen Auftrag erwischt, kann es entweder total schnell gehen (an einem Tag besprochen, am nächsten Tag ausgeführt, 14 Tage später Geld erhalten) oder sich über Monate hinziehen - Gespräche, Testversionen, Vorführungen...
Alles in allem solltest du eine Selbstständigkeit gut vorbereiten (finanzielle und zeitliche Spielräume einplanen) und versuchen, mit so wenig wie möglich Risiko so viel wie möglich Erfahrungen zu sammeln.
http://fedoraproject.org/ <-- freies Betriebssystem
http://launix.de <-- kompetente Firma
In allen Posts ist das imo und das afaik inbegriffen.
simbad
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Re: Arbeiten als Freelancer

Beitrag von simbad »

Irgendwo hatte ich das schonmal geschrieben.
Als freiberufler, der jetzt nicht von einer speziellen Lebenssituation profitiert, hast du am Ende ca.25% des Rechnungsbetrages als Netto über von dem du leben musst.

15,5% Krankenversicherung.
20% Rente
20% Einkommensteuern
19% Umsatzsteuer. Die zähle ich hier mit auf, weil die ja in dem Auszahlungsbetrag enthalten ist. Es ist einfacher die mit einzurechnen und dann einfach mal die Zahlung zu betrachten.

und dann musst du noch Rücklagen bilden um, wie schon erwähnt, ein halbes bis ein Jahr davon leben zu können, das beeinhaltet auch die KV-Beiträge und die Rentenbeiträge und die Steuervorauszahlungen. Die laufenden Zahlungen bleiben dir erhalten, auch wenn du keinen Cent verdienst.

Da es für die KV eine Berechnungsobergrenze gibt, nimmt der prozentuale Anteil ab, sobald diese Grenze überschritten wird. Wenn du die maximalen Rentensatz überschreitest, passiert da das gleiche.
Steuern sind natürlich von deinen Erträgen abhängig.

Wenn ich also bei 60EUR/h 160 Stunden arbeite sind das ca 10.000Euro + 19% sind 11900 Euro Rechnungsbetrag.

11900
- 650 KV
-2200 Rente
-1900 Umsatzsteuer
-2000 Einkommensteuer

5150 Bleiben erstmal. Aber deine Monatliche Belastung liegt bei 6750 Euro. wenn du 2000Euro als Netto entnimmst bleiben 3150 als Rücklage. Man sieht, wenn du zwei solche Rechnungen schreibst hast du erst 1 Monaten laufende Kosten verdient. Sprich deine Rücklagen reichen für einen Monat und da ist das Essen nicht mit inbegriffen.

Die Zahlen sind sicherlich ein wenig groß gegriffen, aber so in etwa wird es laufen.

Du hast noch ein weiteres Problem. Wenn du einen Auftrag über mehrere Monate hast, werden normalerweise monatliche Rechnungen vereinbart. Das Zahlungsziel varriert dabei zwischen sofort und 8 Wochen.
Sofort ist eigentlich nicht durchzusetzen.
Also schauen wir uns mal 4 Wochen an. Das bedeutet, das du 4 Wochen arbeitest, dann die Rechnung schreibst und dann weitere 4 Wochen warten musst, das sind dann schon 2 Monate, bevor du überhaupt weißt, ob dein Auftraggeber bezahlt. Die Erfahrung zeigt, das dann nochmal 2 Wochen ins Land gehen können bis du die Arbeit, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen einstellst. In einem solchen Fall hast du 10 Wochen durch den Kamin gejagt und was noch viel schlimmer ist, du musst einen neuen Kunden suchen und der Spass beginnt von neuem.

6 Wochen Zahlungsziel ist zwischen Unternehmen eigentlich normal. Wenn ich einen Betrieb nicht kenne, mach ich immer 2 Wochen nach Rechnungsstellung. Kenne ich den Betrieb und weiß das er zahlt, auch mal 4 Wochen, aber nie darüber hinaus.
Ich bin ja freiberufler.

Wenn der Kunde unpünktlich zahlt, aber das Zahlungsziel in der Rechnung ausgewiesen ist und vor allem auch im Vertrag, dann kannst du mit dem ersten Tag der Überschreitung Zinsen berechnen, irgendwo bei 8%. Beim ersten Mal wird man höflich darauf hinweisen, das das Zahlungsziel nicht bedeutet, das der Kunde das Geld angewiesen hat, sondern das zum Zahlungsziel das Geld auf deinem Konto sein muss. Ändert sich nichts an der Zahlungsmoral, dann kommt bei der nächsten Rechnung eine Position mit den Zinsen drauf. Das wirkt im allgemeinen.

Du solltest auf jeden Fall Werkverträge meiden. Mache das immer als Dienstleistung. Bei einem Werkvertrag läufst du immer in die Gefahr der Nachbesserung. Das darfst du dann aus eigener Tasche bezahlen. Bei einer Dienstleistung ist das das Problem des Auftraggebers. Er sagt dir was er will und du machst das. Wenn er entgegen dem Stand der Wissenschaft keine Doku oder keine Unit-Tests haben will, dann ist das bei einer Dienstleistung sein Problem.
Bei einem Werkvertrag zählt aber das Endergebnis. Du musst also die Funktion nachweisen, und dazu zählen auch entsprechende Tests und vor allem die Dokumentation. Eine Software die als Werkstück erstellt wird und nicht dokumentiert ist, ist nichts wert. Es gibt mittlerweile entsprechende Urteile. Das bedeutet am Ende, das der Kunde zwar das Ergebnis in Betrieb nimmt, dir aber nix zahlt oder wenn er bereits Teilbeträge ausgezahlt hat, diese wieder zurückfordert.

Also keine Werkverträge als Freiberufler.

Und noch eins. Nur weil da Dienstleistungsvertrag drauf steht, muss das keiner sein. Es ist immer der Inhalt entscheidend. Also genauestens auf den Inhalt achten im Zweifel einen Anwalt aufsuchen.

So genug der Schrift.
antisteo
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Re: Arbeiten als Freelancer

Beitrag von antisteo »

Wobei wenn man im Studium nebenberuflich anfängt, fallen KV und Rente schon mal weg bzw. sind anderweitig untergebracht. Die einzigen monatlichen Kosten, die ich momentan habe sind Serverkosten und Steuerberater. Wenn das Studium aber vorbei ist, kommen noch besagte Posten dazu.
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Dennis
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Re: Arbeiten als Freelancer

Beitrag von Dennis »

Es wäre auch sehr spannend, wenn einer was zum Werdegang erzählen können. Wie lange hattet ihr Berufserfahrung, in welche Richtung habt ihr gearbeitet bzw.wie lange habt ihr gearbeitet bevor ihr euch selbständig gemacht habt. Ich selbst kenne es wie gesagt nicht aus dem Informatikbereich. Wenn man harte Produkte verkauft, an Forschungseinrichtungen oder Universitäten, dann gibt es keine Zahlungsprobleme und keine nachträglichen Arbeiten.
antisteo
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Re: Arbeiten als Freelancer

Beitrag von antisteo »

Dennis hat geschrieben:Es wäre auch sehr spannend, wenn einer was zum Werdegang erzählen können. Wie lange hattet ihr Berufserfahrung, in welche Richtung habt ihr gearbeitet bzw.wie lange habt ihr gearbeitet bevor ihr euch selbständig gemacht habt. Ich selbst kenne es wie gesagt nicht aus dem Informatikbereich. Wenn man harte Produkte verkauft, an Forschungseinrichtungen oder Universitäten, dann gibt es keine Zahlungsprobleme und keine nachträglichen Arbeiten.
Bei einer Zahnbürste vielleicht nicht.
Anlagen, Forschungsgeräte etc. kommen aber meist mit einer Software und schon hast du die selben Probleme.
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simbad
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Re: Arbeiten als Freelancer

Beitrag von simbad »

Da ich nicht studiert habe, musste ich mir einen Platz als Programmierer erkämpfen. Also habe ich einfach blind Bewerbungen geschrieben und das an alle Firmen, die irgendwas mit SW-Entwicklung zutun hatten. Es hatte da eher was mit Zufall zutun, das ich als freiberufler Tätig wurde und nicht als sozialversicherungspflichtiger.
Damals habe ich 10DM die Stunde verdient.
Ich hatte ja auch keine Ahnung, also von daher war das in Ordnung. In der Folge habe ich dann immer wieder in Festanstellungen und als freiberufler gearbeitet, wie es eben kam. Vorzugsweise im Bereich Telekommunikation. Da sich da eigentlich alle untereinander kannten, hatte man da dann auch seinen Ruf weg und es war relativ unproblematisch Arbeit zu kriegen.
Dann habe ich mal ein bisschen in der Automatisierungstechnik gearbeitet. Das war eben auch so ne Erfahrung. Da lief das einfach anders ab als in der Telekommunikation.
Jetzt bin ich vorwiegen im Automobilbereich tätig. Wieder was anderes. Andere Firmen, andere Konzepte, anderes Arbeiten.
Michi_D
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Re: Arbeiten als Freelancer

Beitrag von Michi_D »

Ich habe auch einige Zeit sozusagen als Freelancer gearbeitet. Im Bereich Webdesign. Hab 20 Euro die Stunde netto verdient, was eigentlich gar nicht so schlecht war. Das einzige Problem sind halt immer die nervigen Kunden. Jeder will eine Extrawurst und es passt sowieso nie was man macht. Von den Arbeitszeiten her ists genial und ich hab auch wie @simbad nicht studiert, also eine fixe Stelle in einer Firma zu erlangen war damals noch etwas schwer wenn man sich alles selbst beigebracht hat. Mittlerweile bin ich zwar wieder angestellter im Bereich Mobile Programmierung aber vermisse das Freelancer leben schon ein wenig. Hat halt alles Vor- und Nachteile.
origondo <--- wordpress argentur - ziemlich gute Argentur.
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ponx
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Re: Arbeiten als Freelancer

Beitrag von ponx »

Man kann ja Festanstellung und Freelancer-Dasein grundsätzlich auch ganz gut kombinieren. Ich habe meinen Gewerbeschein schon seit fast 20 Jahren, aber nur zwei Jahre davon als reiner Freelancer gearbeitet, also dann mit freiwilliger Krankenversicherung und Rente komplett selber zahlen. Man schafft das heutzutage grundsätzlich auch gut ohne Steuerberater oder externe Buchhaltung, mit Programmen wie "Steuer-Spar-Erklärung" oder "Wiso Steuererklärung", beide sehr brauchbar und über weite Strecken selbsterklärend. Früher ohne Internet war das die Hölle (vor allem für mein Finanzamt schätze ich), das ging bei mir mangels Ahnung und Geld dann per trial & error.
Das Gute an einem Gewerbeschein ist: Man ist Umsatzsteuer-abzugsberechtigt, und kriegt dann also bei jeder Hardware, die man kauft, die 19% MWSt zurück. Das ist unabhängig vom eigenen Umsatz, d.h. das gilt auch, wenn man in einem Monat (oder Jahr) in die roten Zahlen kommt. Das hat mir im Laufe der Jahrzehnte bestimmt einige tausend Euro gespart.
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