Jonathan hat geschrieben: ↑07.03.2023, 09:25Wie genau funktioniert das? Man kann ja auch ein englisches Spiel in Deutschland veröffentlichen, rein an der Sprache kann man das ja nicht ausmachen. YT, Discord & Co. sind in Kalifornien registriert und deswegen gilt deren Recht? Was wenn nicht ich, sondern andere auf diesen Plattformen darüber reden? Oder geht es um das Verkaufen ansich und es kommt auf die Plattform (Steam etc.) an?
In der Zeit, als Spiele noch verpackt im Laden standen, war das einfacher. In Zeiten des Internets geht es darum, ob sich die US-Jurisdiktion zuständig fühlt, wenn dich jemand vor einem US-Gericht verklagt. Ist dein Produkt Englisch und richtet sich an US-Publikum, geht das stark in die Richtung. Waren US-Plattformen Teil der Copyright-Verletzung, ist das quasi garantiert. Erst recht, wenn DMCA-Copyright-Notices ins Spiel kommen.
Der Fall, den ich recht aufmerksam verfolge: Rockstar gegen die Entwickler von Re3 und ReVC. Drei Deutsche (oder zwei Deutsche und ein Deutschtürke, egal) haben die EXEs von GTA3 und GTA:VC bis ins Detail studiert, wahrscheinlich auch disassembliert, und sich ihr eigenes GTA geschrieben. Sie hatten keinen Klon gemacht, sondern Ersatz-EXEs. Man musste die Original-Spiele von Rockstar besitzen, um deren Versionen nutzen zu können.
Nun haben sie aber eine (1) leicht geänderte Konfigurationsdatei des Originalspiels im Repo gehabt. Das ist eine Urheberrechtsverletzung.
Also hat Rockstar sie vor einem kalifornischen Gericht auf Millionen Entschädigung verklagt. Wie so etwas abläuft, und warum das in Deutschland gegen Deutsche weitgehend durchsetzbar ist, dazu fand ich
diesen Artikel äußerst hilfreich.
Die Klageschrift von Rockstar ist
hier einsehbar.
Daraus der Hauptgrund für US-Jurisdiktion: Rockstar hat Github kontaktiert, das Projekt gemäß DMCA zu löschen. Dem haben die Angeklagten widersprochen. Daraus ergibt sich US-Jurisdiktion. Außerdem könnten sie mit einem Kalifornier darüber gesprochen haben, ob für Github tatsächlich kalifornisches Recht gilt (Foren-Beitrag?):
Defendants Morra, Orçunus, and Graber have submitted to personal jurisdiction in this Court because each of them submitted a counter notification pursuant to DMCA 17, U.S.C. §512, which states “I consent to the jurisdiction of Federal District Court for the judicial district in which my address is located (if in the United States, otherwise the Northern District of California where GitHub is located), and I will accept service of process from the person who provided the DMCA notification or an agent of such person.” Upon information and belief, Defendants Papenhoff and Ash R. actively participated in, directed, and controlled the preparation and submission of one or more of these counter notifications purporting to dispute Take-Two’s justified takedown of the infringing software repositories. On information and belief, Papenhoff and Ash R. also sought and received legal assistance in connection with one or more of the counter notifications from individuals residing in this District and/or in the United States.
Weitere Gründe für US-Jurisdiktion: Jemand aus den USA hat ihr Projekt heruntergeladen. Sie hatten den Geschäftsbedingungen von US-Firmen wie Github, Twitter, Reddit, und YouTube zugestimmt. Sie hatten über diese Plattformen Kontakt zu Personen, die in Kalifornien wohnen.
Additionally, Take-Two is informed and believes, and on that basis alleges, that all of the Defendants are subject to personal jurisdiction in this Court because, among other reasons, Defendants (1) distributed their infringing content to individuals located in this District or in the United States, (2) interacted with and entered into contracts with service providers in this District, including platforms such as GitHub, Twitter, Reddit, and YouTube, for purposes of furthering and promoting the infringing conduct described herein, including by directly communicating with individuals residing in this District and in the United States; and (3) engaged in conduct that they knew or should have known would cause harm to Take-Two in this District.
Das Gericht hat all dem zugestimmt, also begann das Gerichtsverfahren in Kalifornien.
Wie stark das Recht in den USA unterschiedlich von deutschem ist, hängt davon ab. Erstmal ist es weitaus teurer – auch, wenn Rockstar vs. Re3/ReVC
nun vom Tisch zu sein scheint, sind die Projekte für immer verboten und die Prozesskosten dürften im sechsstelligen Bereich gelegen haben.
Reverse Engineering ist in den USA drastisch anders als hier. Hier darfst du zwecks Kompatibilität alles nachbauen, so lange du keinen Kopierschutz verletzt. In den USA darfst du zwecks Kompatibilität explizit auch Kopierschutz verletzen, allerdings muss alles Reverse Engineering von zwei getrennten Personen erfolgen (die eine analysiert und dokumentiert; die andere implementiert gemäß Dokumentation neu).
Da macht man echt ein Fass auf.
Der Konsens meiner Internet-Recherche ist: Fühlt sich der durchschnittliche Kalifornier von deinem Spiel angesprochen (ist es also mindestens Englisch und auf einer englischen Plattform zu erwerben und nicht explizit deutsch-zentriert – also kein Programm zur Hilfe bei deutschen Steuererklärungen), und lädt es mindestens ein Kalifornier herunter, darf er dich darüber wahrscheinlich auch in Kalifornien verklagen. Kommen US-Plattformen ins Spiel, sogar hundertprozentig.